– Frischzellenkur für einen Glatzkopf –
Nummer
47, auch bekannt als der Hitman, ist ein wirklich alter Hase. Seit 12 Jahren tötet
er im Auftrag der Agentur Zielpersonen, ohne dabei einen Hauch von Emotionen zu
zeigen. Doch im hohen Alter werden wir ja alle irgendwann einmal weich und so
entdeckt Nummer 47 in Hitman: Absolution plötzlich seine Liebe zu Kindern. Ob
das wirklich Sinn macht und ob der Glatzkopf auch noch einmal im hohen Alter zu
Höchstform aufläuft, das lest ihr im folgenden Review.
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Nonnen in Lederklamotten mit großen Waffen. |
Wenn
die Hitman-Reihe bislang für eins nicht bekannt war, dann für eine gut
geschriebene und vor allem sinnvolle Geschichte. Entwickler IO Interactive
versucht dies im neuesten Serienteil zu ändern, verpasst 47 eine menschlichere
Attitüde und widerspricht damit so ziemlich allem, wofür der Glatzkopf steht.
Alles beginnt damit, dass man Diana, die Kontaktperson des Hitman in der
Agentur, töten muss, weil sie angeblich eine Verräterin ist. So weit so gut –
danach wird es merkwürdig. Plötzlich ist da ein Kind, welches beschützt werden
muss, weil mit dem kleinen Mädchen merkwürdige Experimente durchgeführt wurden
und weil 47 sich für sie verantwortlich fühlt. Das ergibt keinen Sinn, der
codierte Glatzkopf doch schon immer ein eiskalter Killer, ohne jedes Mitgefühl.
Doch es wird noch merkwürdiger, denn plötzlich ist man nicht mehr Mitglied der
Agentur, sondern wird von eben dieser quer durch die Vereinigten Staaten
gejagt. Später muss man dann auch noch alle töten und ach ja: Nonnen in
Lederklamotten kommen auch vor. Irgendwie merkt man schon, dass IO Interactive
wirklich versucht hat, die Story gut zu erzählen, doch was die wirklich
hübschen Cutscenes zeigen, ergibt einfach keinen Sinn. Aber eigentlich ist das
auch egal, denn immerhin gibt es hübsche Zwischensequenzen und ein paar Typen,
die solche Arschlöcher sind, dass man es kaum abwarten kann, ihnen endlich den Garaus
zu machen. Story war ja in Hitman schon immer absolute Nebensache – im Mittelpunkt
steht schließlich das Stealth-Gameplay.
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Einer der vielen Bösen in Hitman: Absolution: Der Yehaa-Typ |
Grundsätzlich kann man Absolution zwar auch als
Third-Person-Shooter spielen, aber das raubt dem Spiel all seine Faszination.
Ein echter Hitman bleibt im Verborgenen und jederzeit unerkannt. Dazu kann man
die immer sehr zahlreich vorhandenen Wachleute/Polizisten/Bodyguards entweder
ablenken oder sie unbemerkt „entsorgen“, um dann mit ihnen die Kleider zu
tauschen. Gerade der Wechsel der Kleidung ist wohl DAS Markenzeichen von
Hitman. Einmal verkleidet können einen nur noch Leute mit denselben Klamotten
erkennen – was eigentlich Sinn macht. Eigentlich, denn wenn man von der Polizei
einer ganzen Großstadt verfolgt wird, dann macht es wenig Sinn, wenn wirklich jeder
Polizist nach drei Sekunden bemerkt, dass man kein Kollege ist. Ich bezweifle,
dass es Grundvorrausetzung bei der Polizei ist, jeden von den Tausenden
Kollegen zu kennen. Auch wird man viel zu schnell erkannt. Nur mit dem neuen
Instinkt-Modus kann man unbemerkt an anderen Polizisten, Köchen, Mechanikern,
Wachleuten oder Streifenhörnchen (ja, Streifenhörnchen) vorbeikommen. Dabei
leert sich aber der Instinkt des meuchelnden Kahlkopfes so schnell, dass man
meist nur für wenige Sekunden unbemerkt bleibt. Folge ist, dass das Verkleiden
kaum noch Sinn macht. IO Interactive hat das Problem erkannt und bereits
angekündigt mit einem kommenden Patch das Verkleidungssystem zu überarbeiten.
Derzeit aber schmälert dies den Spielspaß leider deutlich.
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Unerwarteter Storytwist: Nummer 47 wird Richter! |
Problem
von Hitman: Absolution ist auch, dass man viel zu oft nur von Punkt A nach
Punkt B gelangen muss, ohne dabei bestimmte Personen ermorden zu müssen. (An
die Kritiker von Videospielen: Dieser Satz lässt sich super aus dem
Zusammenhang reißen!) Nummer 47 wird in einem Großteil des Spiels gejagt und
verfolgt und tötet daher nur wenige Zielpersonen. Der größte Reiz des Spiels,
der perfekte, unbemerkte und wie ein Unfall aussehende Mord, ist so im Großteil
der Missionen nicht enthalten. Auch hier widerspricht Absolution dem, was die
Hitman-Reihe für mich seit jeher auszeichnet. Nummer 47 war immer ein Phantom,
ein Mythos, ja schon fast eine Legende. Keiner wusste, wer er ist, keiner hat
ihn je gesehen – und dennoch tötete er jedes seiner Ziele. In Absolution ist
das anders: Hier kennt scheinbar jeder die Identität von Agent 47 und erkennt
diesen innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde. Das für mich so wichtige Gefühl
ein Phantom zu sein, das gibt es nicht mehr. Auch nicht mehr vorhanden sind die
großen, frei begehbaren Areale. „Hitman: Absolution“ ist sehr linear, quetscht
den Spieler mitunter durch unangenehm enge Levelschläuche und unterteilt
oftmals größere Gebiete in kleinere Abschnitte, die nach und nach erreicht
werden müssen. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die beinahe schon
obligatorische Hotel-Mission. Konnte man hier im Vorgänger „Hitman: Blood Money“
noch das gesamte Hotel frei erkunden, mehrere Stockwerke durchsuchen und
dadurch Hunderte verschiedene Lösungen versuchen, so ist das in Absolution
plötzlich viel schlauchiger. Zunächst muss man in das Hotel gelangen. Ist dies
geschafft, so muss man in dasselbe Stockwerk wie die Zielperson eindringen. Ist
man dort angelangt, so muss man hier sogar noch in denselben Raum kommen. Ist
dabei einmal ein Abschnitt geschafft, so kann man dort nicht wieder zurück. Dadurch
werden die für das Spiel so wichtigen Freiräume stark beschnitten, was sich
nicht positiv auf den Spielspaß auswirkt. Ein wenig beschleicht mich hier das
Gefühl, IO Interactive wollte dadurch das Spiel zugänglicher für Neueinsteiger
in der Serie machen. Dies mag funktionieren, doch wirkt es gerade auf Veteranen
sehr befremdlich und hinterlässt einen sehr faden Beigeschmack der
Casualisierung.
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Was passiert eigentlich, wenn...? |
Dennoch
hat Hitman: Absolution auch Stärken. Zunächst auf technischer Seite, wo ein
wirklich großartig ausschauendes Spiel steht, welches durch tolle Animationen,
hübsche Effekte, einem tollen Sound und vor allem unfassbar vielen NPCs
punktet. Die neue Glacier 2-Engine hat mächtig was drauf und bietet eines der
hübschesten Spiele des Jahres 2012. Dabei verlangt das Spiel aber einiges an
Hardwarepower und wer die nicht besitzt, der muss auf viele der hübschen
Effekte verzichten, was einiges an Atmosphäre stielt. Die volle Grafikpracht
setzt übrigens eine DirectX 11-fähige Grafikkarte voraus.
Auch
wenn der neuste Serienteil einiges anders macht als seine Vorgänger, so hat er
doch auch einige typische Stärken geerbt. So zum Beispiel diese erfüllenden
Momente, in denen der vorher so akribisch ausgefeilte Plan aufgeht, die
Zielperson stirbt und man selbst unerkannt verschwinden kann. Zu diesen
Momenten gehört natürlich auch der typisch eigenwillige Humor, der mitunter
schwärzer ist als die Nacht. Man muss schon fähig sein, über einen Mord in einem
Videospiel Lachen zu können – dann ist Hitman aber zum Schießen komisch. Eine
Wache steht am Fenster und bekommt gerade die Nachricht, dass sie doch nicht
schwer krank ist, freut sich natürlich riesig darüber und wir ziehen sie direkt
danach aus dem Fenster und schmeißen sie hinab in den Tod. Ein sehr
eigenwilliger, aber wirklich guter Humor. Die „lustigsten“ Morde sind aber
natürlich noch immer die der Zielpersonen. Hier beweisen die Entwickler
mitunter eine etwas beängstigende Kreativität, was die Möglichkeiten des Meuchelns
angeht – und auch als Spieler ist man hin und wieder überrascht, auf was für
absurde Ideen man da kommt. Kreativ sind übrigens auch die wirklich hübschen
Levels, die 47 einmal quer durch die USA schicken. Friedhöfe, Hotels,
Werkstätten und sehr viele andere Schauplätze erkundet der Spieler in den
insgesamt über 20 Missionen. Dabei sind alle wirklich hübsch und kreativ
designt und überzeugen vor allem durch große Abwechslung. Doch auch hier hinkt
Absolution seinem Vorgänger für meinen Geschmack ein klein wenig hinterher – doch
das ist wohl Geschmackssache. Abschließend muss natürlich auch das Gameplay
noch einmal explizit gelobt werden. Hitman: Absolution steuert sich eigentlich
wie ein normaler Third-Person-Shooter – inklusive Deckung nehmen und aus eben
dieser heraus schießen. Die Steuerung geht dabei – nach einer gewissen
Eingewöhnungszeit – aber recht flott von der Hand. Nur die Waffenauswahl über
das Steuerkreuz ist ab und zu etwas ungenau gewesen und hat das ein oder andere
Mal dazu geführt, dass ich anstatt eines Ziegelsteins eine Ladung C4 geworfen
habe. Dennoch macht das Schleichen in Hitman: Absolution mehr Spaß, als bei den
meisten Genrekonkurrenten.
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Dieses arme Schwein muss Landminen testen. |
Ist
Hitman: Absolution nun gut oder nicht? Schwer zu sagen, denn IO Interactive
wandert mit der verpassten Frischzellenkur auf einem heißen Draht. Veteranen
der Serie werden Neuerungen wie der Instinkt-Modus oder die Schlauchlevels
sauer aufstoßen, während Neueinsteiger dadurch eben leichter ins Spiel finden.
Unterm Strich hat mir Absolution aber trotz all seiner Macken sehr viel Spaß
bereitet und mich über weite Strecken gut unterhalten. Für Fans der Serie und für Fans des lautlosen
Meuchelns ist das Spiel sicher ein Spiel, das man gespielt haben sollte. Es
wird gerade die Veteranen an der einen oder anderen Stelle nicht gefallen, dennoch
aber sollte ein echter Fan auch dieses Hitman gespielt haben. Wer im Gegensatz
zu mir kein neues und besseres Blood Money erwartet, der wird sicher nicht
enttäuscht werden.
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