– Ein Review,
kein Shitstorm –
Jeder
verdient eine zweite Chance! Auch SimCity, der viel gescholtene neueste Teil
einer Serie an Städtebau-Simulationen, die viele Fans um sich scharte. Wütende
Fans, denn mit einem Always-On-DRM, einem Cloud-Save-System und vor allem mit
instabilen Servern haben Maxis und Electronic Arts dem neuen SimCity keinen
guten Start beschert. Aus den schlimmsten Zeiten ist das Spiel jetzt aber raus,
die Entwickler hatten genug Zeit zum Patchen und die Feuerwehr genug Zeit, die
Server und die Verbraucherzentrale von EA zu löschen. Und genau deshalb schauen
wir erst jetzt mit einem prüfenden Blick auf Maxis‘ neueste Kreation – ist sie
am Ende vielleicht sogar richtig gut?
Es hat sich
viel getan im SimCity-Universum, seitdem der letzte Teil, also SimCity 4 vor
zehn Jahren erschien. Damals, da baute man noch riesige Städte und stopfte sie
mit allem voll, was man eben zum Vollstopfen einer Stadt hatte. Heute, da läuft
es in SimCity wie bei der Evolution. Die Städte suchen sich Nischen, in denen
sich es besonders gut leben lässt, und spezialisieren sich darauf. Wo früher
noch Cambridge mitten in Paris lag und das ganze Las Vegas hieß, da gibt es
heute eben nur noch Las Vegas oder Cambridge oder Paris. Das gefällt mit
Sicherheit nicht jedem, hat aber auch einige Vorteile. Der Städtebau geht durch
die Spezialisierungen viel mehr in die Tiefe. Anstatt einer stetigen Expansion
ist nun Detailarbeit gefragt. Jetzt ist es in einer Tourismus-Stadt eben auf
einmal wichtig, auf welcher Seite der Straße die Bushaltestellen sind. Für die
Bildungs- und Elektrofreunde kommt es darauf an, irgendwie diese Bildung zu
finanzieren, die Schulen in die richtigen Ecken der Stadt zu stellen und die
Schüler auch pünktlich zur Schule zu bringen. In Las Vegas wird dafür viel
Polizei benötigt, wobei man sich schon fragen sollte, ob es jetzt ein
Polizeihubschrauber tut, oder ob es doch lieber zwei sein sollten. Viel
Detailarbeit, die durchaus eine Menge Spaß macht und den Spieler dazu bringt,
sich intensiver mit seiner Stadt auseinanderzusetzen. Schnell ist einem die
Stadt ans Herz gewachsen, weshalb man immer und immer wieder verzweifelt
versucht, ihr zu großem Glanz zu verhelfen. Das gelingt aber eigentlich nie,
denn irgendwann passiert immer irgendetwas, was die Stadt in den Ruin treibt.
Und irgendwann ist sowieso das Wasser alle und dann will auch keiner mehr in
Las Vegas wohnen oder zocken.
Eine Industriestadt - Nicht gerade förderlich für die Gesundheit der Sims. |
Untermalt
wird dieses im Übrigen oftmals sehr ruhige und gemächliche Gameplay von einem
ruhigen und äußerst gemächlichen Soundtrack, der zu keiner Sekunde aufdringlich
oder gar aufregend wird. Gefallen wird er sicher nicht jeden, aber er passt
allemal perfekt zum Spiel. Auf Dauer, gerade in Spielsessions zu späterer
Stunde, wirkt er aber allzu schnell auch einschläfernd. Eine ganze Ecke besser
und sicher auch nicht einschläfernd sind die großartigen Soundeffekte. Zum
einen gibt es da die Geräusche der Stadt, in der man anfangs noch hören kann,
wie einzelne Häuser gebaut werden. Später dröhnen am laufenden Band die Sirenen
und überall hupt es. So wie es eben klingt, in einer Stadt, in der sich auf
jeden Quadratmeter gefühlte 1.000 Menschen drängeln. Es gibt aber nicht nur den
Sound der Stadt, sondern auch die herrliche Tonuntermalung der Statistikkarten,
die einem im laufenden Spiel auf der Karte zeigen, wo es zum Beispiel gerade
keinen Strom gibt.
Schöne bunte Balken, aus denen man sich leider nicht viel nehmen kann. |
Öffnet man
beispielsweise die Gesundheitskarte, dann hört man die kranken Menschen
plötzlich husten. Oder die Stromkarte, auf der man hören kann, wie in jedem
Haus das Licht angeknipst wird. Tatsächlich sind dies aber nicht nur einfache
Soundeffekte, sondern sie helfen auch ein wenig die Übersicht zu behalten und
sind deshalb doppelt und dreifach gelungen. Gelungen ist auch irgendwann die
erste Stadt, und wenn das der Fall ist, dann tut ein Bürgermeister das, was ein
Bürgermeister eben tun muss – er verschafft sich Arbeit. Wie passend, dass man
per Knopfdruck die halbe Stadt auseinandernehmen kann. Natürlich sind damit die
Katastrophen gemeint, die in wirklich keinem SimCity fehlen dürfen. So kann es
schon einmal passieren, dass da plötzlich eine Feuer speiende Riesenechse durch
die Stadt wandert und ein Haus nach dem anderen plättet. Vorteil des großen
Haustieres: Es frisst wenigstens den Müll auf der Halde auf und erleichtert
damit den Müllmännern die Arbeit. Weniger hilfreich ist da schon die
Zombieinvasion, bei der jedes Mal die halbe Stadt angesteckt wird. Dann laufen
alle mit grün leuchtenden Köpfen durch die Gegend, mit dem Ziel ein paar
frische Gehirne zu essen. Klingt lustig, ist es aber eigentlich nicht, denn
danach hat man eine ganze Weile zu tun, bis die Bevölkerung wieder wächst. Die
anderen Katastrophen will ich hier übrigens nicht verraten, denn der Moment, in
dem man zum ersten Mal von einer bisher unbekannten Katastrophe getroffen wird,
der ist schon ein ganz besonderer.
Omnomomomom! |
Das liegt nicht
zuletzt auch an der unverschämt hübschen Grafik, die nicht nur eine brennende,
von Zombies befallene Stadt wirklich toll darstellen kann. Auch wenn nicht
gerade die Apokalypse vor der Tür steht, sieht SimCity wirklich großartig aus.
Lichteffekte, Texturen und alles, was da eben dazugehört ist, erste Sahne.
Optisch gibt SimCity einem kein Anlass zum Meckern, und wenn doch, dann taucht
man eben die Stadt meinen einem anderen Grafikfilter einfach in einen anderen
Farbton. Zu dem tollen Technikgerüst kommen dann übrigens auch noch zahllose
Details, die die Städte erst richtig lebendig und SimCity damit richtig hübsch
machen. Die kranken Sims zum Beispiel, die im hohen Bogen auf die Straße
kotzen. Ok, das ist nicht schön, aber immerhin witzig. Gleiches gilt für die
Sims, die aus brennenden Häusern rennen, um sich im Garten zu wälzen, in der
Hoffnung, dass sie gleich nicht mehr in Flammen stehen. Oder die Kinder, die
auf dem Fußballplatz eben tatsächlich Fußball spielen. Selbst die Werbeschilder
der Geschäfte haben oft witzige Aufschriften, die sogar ins Deutsche übersetzt
worden. Hier hat SimCity seine größte Stärke und zeigt, wie viel Potenzial es
hat. Ausgeschöpft wird dieses leider fast nie, denn es gibt eben nicht nur
diese gute Seite des Spiels, die ich euch da gerade gezeigt habe. SimCity hat
auch eine Fratze des Bösen. Oder so ähnlich. Auf jeden Fall ist nicht alles
Gold, was glänzt.
Und plötzlich haben sich alle über den Müll im Garten beschwert... |
Das fängt
schon bei den Grundlagen an. Da gibt es im Spiel ein Menü für Ranglisten, in
denen man sich mit den anderen Spielern vergleichen können soll. Geht aber
nicht, weil die Ranglisten entweder leer sind oder nur totalen Schwachsinn
anzeigen. Ich zumindest halte es für wenig glaubwürdig, dass die größte Stadt
nur 371 Einwohner hat. Auch nicht so recht klappen will die Interaktion
zwischen den Städten einer Region. Region? Ja, jede Stadt befindet sich in
einer großen Region, in der es bis zu 16 Städte gibt. Diese sollen dann
miteinander interagieren, sich gegenseitig Güter verkaufen, Arbeiter schicken
und Versorgung gewährleisten. Das klingt toll, geht in der Praxis aber nahezu
kaum. Da kann es schon mal sein, dass man seinem Nachbarn etwas Geld überweisen
will, das aber erst nach ein paar Tagen (in Echtzeit) ankommt. Oder in der
Regionsansicht wird einem gesagt, dass man insgesamt 5.000 Liter Wasser von den
Nachbarn kaufen kann. Wenn ich dies dann aber auch kaufen will, steht plötzlich
da, dass kein Wasser zur Verfügung steht. Im Übrigen wurde mir bis heute nicht
einmal Geld abgezogen, wenn ich von den Nachbarn Strom oder Wasser bezog.
Eigentlich sollte das ja was kosten. Eigentlich. Eigentlich ist diese ganze
Interaktionsgeschichte auch richtig cool. Nur da sie kaum funktioniert
behindert sie den Spielfluss und sorgt mitunter für böse Überraschungen, wenn
zum Beispiel wie aus dem Nichts plötzlich das Abwasser die Straßen überflutet.
Viel getan hat sich hier seit dem katastrophalen Release übrigens sehr wenig.
Darf ich vorstellen? Aue. |
Vielleicht
sogar noch übler fallen die viel zu kleinen Städte auf, die so winzig sind,
dass man sie eigentlich nicht Städte nennen darf. SimVillage klingt aber als
Name blöd und hat auch keine so gute Reputation als Serie wie eben SimCity und
deshalb heißen diese kleinen Gebäudeansammlungen eben Städte. Eigentlich kein
Problem, denn immerhin spezialisiert man sich jetzt ja und achtet eh viel mehr
auf die kleinen Details. Wäre da nur nicht die Tatsache, dass bei so winzigen
Städten sehr schnell eben auch die kleinen Details kein Problem mehr sind. In
meinen jetzt knapp 80 Stunden Spielzeit habe ich mindestens vier Städte
beendet. Zahlreiche andere Städte sind dazwischen untergegangen, weil irgendein
Idiot da Atomkraftwerke in die Luft jagt. Kann ja keiner damit rechnen, dass die
auch wirklich die ganze Stadt verseuchen… Tut aber jetzt nichts zur Sache, denn
die Entscheidung für so kleine Städte ist einfach nicht nachvollziehbar, gerade
weil sie bereits während der geschlossenen Beta-Phase von den Spielern
massenweise bemängelt wurde. Maxis, die Entwickler der Städtebausimulation,
haben aber Besseres zu tun, als die Städte größer zu machen, sagen sie. Das
glaube ich ihnen sogar, schaut man sich die riesige Liste an Problemen an, die
das Spiel noch heute, aufbringt. Gelöschte Speicherstände? Check!
Serverabstürze? Check! Bugs? Check!
Die Firmenzentrale von EA. Leider war im wütenden Mob auch ein Chemiker. |
Selbst
jetzt, über zwei Monate nach Release wirkt das Spiel einfach unfertig. Ständig
wird die eigentlich so tolle Spielerfahrung durch nervige Fehler unterbrochen.
Ein flüssiges, stundenlanges Spielen ist nur in den seltensten Fällen möglich.
Das darf nicht sein, gerade nicht bei einem Spiel, dass auch noch eine
Preisempfehlung von 60€ hat, was für ein PC-Spiel locker 20 Geld zu viel ist.
Das ist Abzocke, auf die man sich nicht einlassen sollte. Natürlich ist SimCity
in seinen Grundlagen ein wirklich gutes, vielleicht sogar herausragendes Spiel.
Aber das reicht eben nicht, wenn da noch so viele Fehler sind. Vielleicht wird
es irgendwann so weit sein, dass wir in Ruhe und ohne Bugs unsere Städte
aufbauen können. Bis dahin aber wird wohl noch viel Zeit verstreichen und die
sollten Fans dann doch lieber mit SimCity 4 verbringen.
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