Hin
und wieder erblicken Spiele das Licht dieser grausam-brutalen Welt, die so
wenig beachtet werden, dass sie sich gleich wieder erhängen. Einige dieser
Spiele haben ein so brutales Schicksal auch fast verdient, andere aber sollten
nicht sterben. Als Artenretter für unbekannte Indispiele habe ich mich auf in
die Weiten dieses Erdenrunds gemacht und nach bedrohten Spielen gesucht. Eines
hatte die Schlinge bereits um den Hals gelegt. Doch bevor es vom Stuhl springt
um endgültig Lebewohl zu sagen habe ich von diesem Spiel eine Chance bekommen,
es zu retten. Dies werde ich hier versuchen. Wünscht mir Glück!
Das
suizidgefährdete Spiel von dem hier die Rede ist kommt mehr als schlicht daher.
Auf dem ersten Blick wirkt es wie ein 4:3-Pixelbrei aus den Anfängen der
Videospielgeschichte. Doch unter dieser altmodischen Hülle steckt viel Gefühl
und eine Geschichte voller Melancholie und Spannung. Ihr spielt ein
Forscherpaar, welches dank einer merkwürdigen Maschine die Fähigkeit besitzt
Menschen jede Art von Wunsch zu erfüllen. So ergibt es sich, dass wir an das
Sterbebett eines alten und sehr kranken Mannes gerufen werden, der sich nichts
sehnlicher wünscht als einmal zum Mond zu fliegen. Das Forscherpaar macht sich
also an die Arbeit und begibt sich mithilfe der Wundermaschine in die
Vergangenheit des Todkranken. Dort werden sie seine Erinnerung verändern und
ihm glauben lassen, er habe sich seinen größten Wunsch erfüllt – er sei zum
Mond geflogen. Er wird also seinen großen Traum nie erfüllt bekommen, aber er
wird glauben, er habe ihn erfüllt.
Leider geht das nicht so einfach wie man denkt, denn um in seine Erinnerung
zu reisen benötigen die Forscher immer wieder neue Erinnerungsbruchstücke. So
geht es nur Stückweiße zurück in die jungen Jahre des Kranken. Man erlebt so
die Lebensgeschichte dieser Person und bekommt diese auf wundervolle und fast
schon magische Art und Weiße erzählt. Diese Magie, dieses ganz besondere Gefühl
beim Spielen macht dieses einzigartige Spiel aus. Immer wieder bekommt man
Gänsehaut, wenn der großartige Soundtrack eingespielt wird. Klaviermusik, die
das melancholische Gesamtgefühl untermalt und der Atmosphäre einen einmaligen
Zauber einhaucht.
Das
eigentliche Spiel tritt dabei nahezu vollständig in den Hintergrund. Man will
nur wissen, was es mit der Geschichte des todkranken Rentners auf sich hat.
„Warum will er zum Mond?“ wird zur zentralen Frage des Spiels. Immer neue
Mysterien unterstützen diese Neugier. Diese Geschichte, so behaupte ich, ist
eine der besten die diese Videospielwelt bis heute gesehen hat. Sie mag ein
wenig kitschig sein, aber am Ende rührt sie selbst gestandene Männer zu tränen.
Daran
sind auch die Charaktere schuld, welche man bereits nach den ersten Minuten ins
Herz schließt. Das Forscherpaar, der kranke Mann und all die anderen. Jeder hat
trotz der schwachen Technik und der fehlenden Sprachausgabe einen ganz eigenen
Charakter. Jeder ist glaubwürdig und auf seine weiße liebenswert.
Spielerisch
ist dieser Titel allerdings nicht wirklich liebenswert. Im Prinzip macht ihr
nichts anderes als die Hauptfiguren von einer Sequenz in die nächste zu
klicken. Dies mag langweilig und befremdlich klingen, aber es stört überhaupt
nicht. Im Gegenteil – ab einem gewissen Punkt will man das Spiel wie ein Buch
aufsaugen und die, wie gesagt leider unvertonten, Gespräche lesen. Das Spiel
steht hier hinten an – es geht um die Geschichte.
Dies
geht sogar so weit, dass man mit der Zeit mitbekommt, dass das besagte Spiel
eigentlich keins sein will. Es möchte seinen ganz besonderen Flair versprühen,
seine Geschichte erzählen und danach ganz bescheiden wieder abtreten. Dies darf
und kann es auch. Und wie. Wer diesen Titel einmal begonnen hat, dem wird
schnell klar, dass hier keine spielerische Herausforderung sondern vielmehr
eine emotionale Achterbahn auf ihn zukommt. Bei anderen Spielen mag dies
negativ sein, doch hier passt es irgendwie.
Dieser
Titel hat Stärken, die heutzutage bei einem Videospiel kaum noch erwartet
werden. Anstatt genialer Grafik kommen hier differenzierte und glaubwürdige
Charaktere, statt brachialer Action eine liebevolle Geschichte. Der Entwickler
selbst sagt, dieses Spiel sei eigentlich kein Spiel. Es sei eine neue Art
Geschichten zu erzählen. Und irgendwie hat er Recht. Ja, man spielt die beiden
Wissenschaftler und ja, es sieht aus wie ein altes Spiel aus den 90er Jahren.
Aber eben das ist es gerade nicht. Ein Spiel, welches sich nur durch seine
Charaktere und durch seine Geschichte auszeichnet ist doch kein Spiel. So etwas
kennen wir heute nur noch von Büchern und vielleicht von sehr guten Filmen,
aber in einem Spiel gibt es so etwas nicht. Dort regieren Action und Grafik –
Storytelling steht hinten an. Deshalb kann dieser Titel kein Spiel sein. Es ist
eine interaktive Geschichte, die durch den Interakteur vorangetrieben wird. Wer
„Heavy Rain“ als „Filmspiel“ betrachtet, der kann dieses Spiel gerne
„Buchspiel“ nennen. Irgendwie habe ich beim spielen das Gefühl gehabt, etwas
wahrhaft neuartiges, eine Revolution, ja gar eine Neuschöpfung an
Unterhaltungsmedium zu sehen. Allein deshalb ist das von mir bis hier hin
völlig bewusst noch nicht namentlich genannte „Spiel“ einzeigartig und
kaufenswert.
Dieser,
ja man kann fast schon sagen Meilenstein, ist wirklich ganz besonders und dabei
bis in das letzte Pixel bezaubernd. Wer den (noch) lebenden Beweis sehen will,
dass in „Spielen“ eben doch gute Geschichten erzählt werden können (und wer der
englischen Sprache mächtig ist), der gibt diese zehn Euro sofort aus!
Schaltet
euren PC an, startet dieses Spiel und genießt eine der besten Geschichten in
einem Videospiel überhaupt. Kauft es und verhindert, dass es vom Stuhl springt
und sich endgültig erhängt. Es gehört nicht auf den Friedhof der für immer
vergessenen Spiele – es gehört in den Olymp, dahin wo derzeit Super Mario, der
linke Strich aus Pong und Link auf dem Graßblock aus Minecraft sitzen. Dieses
Spiel ist mehr Videospielgeschichte als wir uns vorstellen können und dabei
doch so unfassbar bescheiden. Ein Meilenstein meiner persönlichen
Videospielgeschichte – „To the Moon“.
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