Montag, 1. April 2013

Bioshock Infinite - Review


            – Ein unvergessliches Erlebnis –

Einen Neuanfang wagen zu können, das ist ein Privileg. Menschen machen Fehler und fast alle müssen die Folgen dieser ihr Leben lang mit sich herumtragen. Nur wenige bekommen die Chance, diesen Ballast von sich zu werfen und neu zu beginnen. Die Wolkenstadt Columbia wollte eben diesen Neuanfang. Ihr Prophet, Zachary Hale Comstock, hat sich von der Welt losgesagt und ist mit einer ganzen Stadt in die Wolken aufgestiegen. Doch bereits Andrew Ryans Unterwasserutopia Rapture hat gezeigt, dass nicht jeder Neuanfang zur Erlösung führt. Ob der Neuanfang für Bioshock Infinite eine gute Idee war, erfahrt ihr im folgenden Review.

Der Anfang von Bioshock Infinite erinnert ungemein stark an den Beginn des ersten Teils. Mitten im Meer steht ein großer Leuchtturm, der eine Tür zu einer anderen Welt, zu einem Utopia, öffnet. Dieses Utopia befindet sich diesmal nicht unter Wasser, wie es einst bei Rapture der Fall war, sondern über den Wolken. Columbia heißt diese fliegende Metropole und sorgt bereits in den ersten Momenten für Magic Moments am laufenden Band. Bioshock Infinite hat etwas, was dieser Tage vielen Spielen abgeht: eine ganze Menge Stil. Steampunk, gepaart mit einer fliegenden Stadt im Jahre 1912 – auf solch eine Idee kann eigentlich nur Irrational Games kommen. Dass Columbia fliegt, hat auch echten Symbolcharakter, schwebt es schließlich mit seinem wundervollen Design auch über dem Rest der gesamten Spielebranche. Eine solch kreative, detailverliebte und glaubwürdig lebendige Welt hat man so noch nicht gesehen. Das Ziel der Entwickler sei es laut eigenen Aussagen gewesen, einen großen Teil der Geschichte allein über die Welt zu erzählen. Und das funktioniert wunderbar. Themen wie Rassismus, Arbeitslosigkeit und soziale Ausgrenzung werden genauso ausschließlich über die Welt transportiert wie die Begründung, weshalb im Laufe des Spiels die ganze Stadt hinter einem her ist. Plakate, Zeitungen oder die Gespräche der Bürger am Straßenrand stellen dabei nur einen kleinen Teil der unfassbar detaillierten Welt dar. Wie gut das alles funktioniert und vor allem wie durchdacht alles ist, zeigt sich bereits im Tutorial, das viele wohl gar nicht als ein solches erkennen konnten. Zu Beginn des Spiels feiern die Bewohner Columbias ein großes Fest mit einem Jahrmarkt, auf dem einige Schießbuden verteilt sind. An diesen kann man Spielen und bekommt somit beigebracht, wie die Spielmechaniken funktionieren und gleichzeitig eine ganze Menge der hasserfüllten Propaganda gegen die Opposition namens Vox Populi mit. Denn anstatt auf einfache Pappscheiben zu ballern, muss man auf sich bewegende Pappmitglieder der Vox Pupuli schießen – trifft man deren Anführerin gibt es Extrapunkte. Damit hat Irrational Games das vielleicht beste Tutorial aller Zeiten geschaffen, denn als Spieler bemerkt man nicht nur nicht, dass es eines ist – nein, man will es sogar spielen. Eine Meisterleistung, die am Ende exemplarisch für die unfassbar gelungene, stimmige, abwechslungsreiche und einfach verdammt hübsche Spielwelt steht.

Doch Schönheit allein macht noch kein gutes Spiel aus und so steht und fällt Bioshock Infinite, wie jeder Shooter, mit seinem Gameplay. Und das hat sich, gerade im Vergleich zum originalen Bioshock, gewaltig verbessert. Wichtiges Feature ist dabei die Fähigkeit, über Kimme und Korn zu zielen, die allen Ernstes in Rapture nicht gegeben war. Das verbessert das Gefühl in den Kämpfen ungemein und macht diese gleich ein ganzes Stück besser. Doch Bioshock Infinite wäre kein Bioshock, gäbe es nicht auch noch die magischen Kräfte, früher Plasmide genannt. Mittlerweile heißen diese Fähigkeiten Vigors und machen noch immer eine Menge Spaß. Ein ganzes Dutzend an Feinden erst mit einem Stromschlag zu betäuben, dann mit „Wütender Bronko“ in die Luft zu Wirbeln um sie am Ende mit einem Feuerball über den Jordan zu schicken klingt nicht nur verdammt geil, sondern ist es auch. Theoretisch zumindest, denn in der Praxis steht man schnell dem Problem gegenüber, dass man immer nur zwei dieser Kräfte in die Schnellauswahl legen kann. Das ist gerade auf den Konsolen nervig, kann man da die anderen Kräfte schließlich nur über ein Kreismenü erreichen. Auf dem PC liegen die Vigors zusätzlich noch auf den Zahlentasten verteilt, was die Sache ein ganzes Stück einfacher macht. Das ist aber freilich Meckern auf zu hohem Niveau, denn auch an das Kreismenü gewöhnt man sich ziemlich schnell, womit dies schon nach weniger als einer Stunde kein Problem mehr ist. Dennoch ist es eine komische Entscheidung, nur immer zwei Vigors in die Schnellauswahl legen zu können. Gleiches gilt im Übrigen für die Waffen, von denen Booker DeWitt, der Held des Spiels, immer nur zwei bei sich tragen kann. Das nervt wirklich, denn es kommt schon öfters mal vor, dass man dann mit zwei leergeballerten Waffen durch die Gegend rennt und nur Munition für andere Schießeisen findet. Abhilfe schafft hier gern unsere Begleitung Elizabeth, die uns im Kampf ständig wichtige Dinge wie Verbandskästen oder eben Munition zuwirft. Leider werden genau deshalb die Kämpfe zu oft auch zu einfach – selbst auf der höchsten der drei Schwierigkeitsgrade, die zu Spielbeginn zur Auswahl stehen. Macht aber nichts, denn Spaß machen sie trotzdem, gerade wenn die Skylines noch dazukommen. Skylines sind, wie es der Name schon sagt, Schienen, die in der Luft quer durch die Stadt verlaufen. An die können sich Booker, aber auch seine Gegner dranhängen und durch die Lüfte gleiten. Dabei kann man sogar noch schießen oder per gezielten Absprung auf dem Boden stehende Gegner angreifen. Eine verdammt geile Idee, die einfach unfassbaren Spaß macht und eigentlich nie langweilig wird. In einigen Momenten fühlt man sich dann aber als Spieler schon fast unterfordert. Zum Glück aber gibt es noch einige besonders robuste und starke Gegnertypen. Diese erscheinen entweder in Form von „Motorisierten Patrioten“ oder als „Handymen“, die verdammt viel austeilen und verdammt viel einstecken können. Gerade im Zusammenspiel mit einer größeren Gegnerhorde entstehen dann gegen diese Maschinen echte Herausforderungen, die gern auch in Hektik oder gar Panik enden. Zum Glück gibt es da ja noch Elizabeth, die uns mit all ihren Verbandskästen und Munitionskisten in solchen Momenten gern mal den virtuellen Arsch rettet. Alles in allem hauen die Kämpfe aber, trotz der teilweisen Unterforderung, mächtig rein und machen mehr Spaß als die Action in den meisten 08/15-Afghanistan-Shooter und wer eine echte Herausforderung sucht, der kann sich nach einmaligem Durchspielen an den 1999-Modus wagen, der dann wirklich ziemlich schwer ist.

Irrational Games hat sich bei der Entwicklung nicht so beeilt, wie diese Leute. Das Spiel wurde mehrfach verschoben.
 Die folgenden Sätze klingen vielleicht etwas dumm, aber wer die ersten Minuten des Spiels gesehen hat, der weiß worauf ich anspiele. Also – here weg go. Hätte Bioshock Infinite nur eine wundervolle Welt, so wäre es genug gewesen. Hätte Bioshock Infinite nur gute Action, so wäre es genug gewesen. Hätte Bioshock Infinite nur eine wundervolle Grafik gehabt, so wäre es genug gewesen. Aber diese Bekloppten bei Irrational Games müssen ja auch noch eine erstklassige Geschichte erzählen. Diese handelt, wie bereits erwähnt, von Booker DeWitt, der den Auftrag bekommt, ein Mädchen zu entführen, um seine Schulden zu begleichen. Was am Anfang noch so leicht klingt, entpuppt sich aber sehr schnell als große Herausforderung. Denn dieses Mädchen, sie heißt Elizabeth, soll die künftige Anführerin von Columbia werden und ist deshalb in einem riesigen Turm, mitten in der Stadt eingesperrt. Dazu kommt noch, dass sie von einem gigantischen Vogel, dem Songbird, beschützt wird. Und als wäre das noch nicht genug, wird DeWitt auch noch als „Falscher Hirte“ entlarvt (was damit gemeint ist, müsst ihr schon selbst herausfinden) und deshalb schon bald von der halben Stadt und eben dem Songbird gejagt. Dieses Spiel wäre aber natürlich kein Spiel, würden wir es nicht dennoch schaffen, das Mädchen aus dem Turm zu befreien.  Und bei dieser Befreiung begegnen wir mit Elizabeth einem Mädchen, das es mit ihren großen Disney-Augen sofort schafft, unser Herz zu erobern. 

Obwohl sie Booker auf Schritt und Tritt folgt, nervt sie zu keiner einzigen Sekunde – im Gegenteil, am Ende hätte ich gern mehr Zeit mit ihr verbracht. Die Beziehung zwischen DeWitt und Elizabeth steht dann auch im Mittelpunkt der großartigen Geschichte, deren Ende verdammt emotional wird. Und auch verdammt verwirrend, denn ohne zu viel zu verraten sei gesagt, dass es um Dimensionstore, Zeitreisen und anderen verwirrenden Kram geht. Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, dass die Entwickler über ihr Ziel hinausschießen, aber das Ende zeigte dann, dass viel mehr Sinn hinter all dem steckt, als ich es je zu denken vermochte. Kurzum sei gesagt, dass die Geschichte von Bioshock Infinite ein absolutes Meisterwerk ist und so schnell nicht wieder aus den Köpfen der Spieler verschwindet. Gerade im Bereich der Shooter ragt sie heraus, wie ein Leuchtturm aus dem Meer. Gern würde ich euch mehr darüber berichten, aber bereits der kleinste Hinweis könnte sich zu einem gigantischen Spoiler entwickeln. Kurz muss an dieser Stelle noch die deutsche Synchronisation erwähnt werden, die, gerade für die Verhältnisse hierzulande, verdammt gut gelungen ist. Schade nur, dass all die zahlreichen Plakate im Spiel nicht übersetzt wurden – das ist gerade in Anbetracht der Tatsache, dass das Spiel eben einen Großteil seiner Geschichte über die Welt erzählt, einfach nur dumm für Spieler, die kein Englisch können. Wer das aber kann, der sollte dennoch zur originalen Tonspur greifen, die wie immer ein Stück besser gelungen ist als die Deutsche. Nur das viele Bibelenglische und die Sprache des vergangenen Jahrhunderts können zu einigen Verständnisproblemen führen. So ist „Columbias gayest Quartett“ nicht zwingen schwul. Und wo wir gerade bei den Kleinigkeiten sind: Der Soundtrack des Spiels ist eine absolute Wucht und passt zu jeder Sekunde perfekt zum Geschehen. Ich persönlich habe es geliebt, wenn nach dem letzten besiegten Gegner die Musik einem jedes Mal klar zu verstehen gab, dass er auch wirklich der Letzte war. Aber auch die Songs aus dem Radio passen perfekt in die Zeit des Spiels. Und gerade solche Kleinigkeiten sind es ja am Ende, die Bioshock Infinite eben noch mal ein ganzes Stück besser machen.

Ein Fazit zu diesem Spiel zu ziehen ist eine verdammt schwierige Aufgabe, ringe ich schließlich noch immer um Worte, um dieses Meisterwerk zu beschreiben. „Genial“ trifft es dabei wohl noch am ehesten, auch wenn dieses Wort nicht im Ansatz ausreicht, um Bioshock Infinite zu beschreiben. Von Anfang bis Ende ist Irrational Games‘ neuestes Meisterstück einfach ein verdammt rundes Erlebnis, dass durch seine tollen Kämpfe, den großartigen Soundtrack, die gute Synchronisation, die großartige Geschichte, die wunderschön detaillierte Welt und die unvergessliche Elizabeth zu einem der, vielleicht sogar dem besten Shooter aller Zeiten wird. Wer braucht schon eine Episode 3 der Half Life-Saga, wenn es dieses Spiel gibt? Ich auf jeden Fall habe jetzt ein neues Lieblingsspiel, dessen Geschichte ich wohl nie vergessen werde und das ab jetzt jedes Jahr wieder rausgekramt wird. Wobei Half Life 2: Episode 3 dennoch langsam kommen könnte – was ist da bitte los bei Valve? Mindestens bis dahin aber ist Bioshock Infinite wohl einfach der beste Shooter, den es da draußen gibt. Hier stimmt eben einfach alles und es gibt eigentlich überhaupt nichts, was negativ ins Gewicht fällt. Wenn man das beste Spiel dieser Konsolengeneration nennen sollte, dann würde ich ab jetzt ohne Zögern sofort Bioshock Infinite sagen. Kauft euch dieses einmalige Stück Software und erlebt eines der besten Spiele aller Zeiten!


1 Kommentar:

  1. Großartiger Post über ein großartiges Spiel. Infinite macht tatsächlich verdammt viel richtig und ist zweifellos ein Schatz der Spielebranche. Jedoch finde ich die ersten beiden Teile spielerisch etwas besser. Vorallem aber finde ich, dass die Atmosphäre in Rapture deutlich besser funktioniert hat. Splicer waren verdammt gruselig. Alles war dunkel und es tropfte von der Decke. Irgendwo sieht man den Schatten eines irren Splicers um einen Schrein tanzen, auf dem ein Foto von Irgendjemandem steht. Da läuft einem schon ein Schauer über den Rücken. Demgegenüber sieht Columbia sehr viel bunter und heller und fröhlicher aus. Also rein vom optischen Gesichtspunkt.
    Die Story von infinite ist um Klassen besser. Nicht nur besser als die, der ersten beiden Teile, sonder eher um Klassen besser, als die, nahezu ALLER anderen Spiele. Das ein oder andere FF oder LoU kommen noch dran, aber dann wirds auch schon eng. Am Ende ist mir echt einfach die Kinnlade runtergefallen...

    Auf jeden Fall sind wir uns einig, dass Infinite der Hammer ist und auf jeden Fall seine Spielzeit wert :)
    Ich hoffe du schaust mal bei mir vorbei ;)
    Gruß, Fenris

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