Freitag, 14. September 2012

Max Payne 3 - Review

                 – Depressionen, Tabletten und ganz viel Alkohol –












Mit einer halb leeren Flasche in der Hand sitzt Max Payne in seiner verwüsteten und verdreckten Wohnung und schaut sich ein Bild seiner toten Familie an. Er erinnert sich an das lachen seiner geliebten Frau und an das Spielen mit seiner Tochter. Er denkt an Mona Sax, seine zweite große Liebe. Er erinnert sich, wie all diese geliebten Menschen gestorben sind. Wie sie ermordet wurden. Max Payne ist ein gebrochener Mann. Sein Leben besteht nur noch aus Alkohol und Tabletten. Eigentlich will er nur noch sterben – doch er ist kein Feigling.

Anstatt aus dem Leben zu fliehen, entscheidet sich Max in seinem dritten Auftritt dazu, Bodyguard zu werden. Komische Berufswahl, für einen Ex-Cop, der alle die er je liebte, durch Kugeln verloren hat. Doch Max will sich ändern, will ein neues Leben beginnen. Er rasiert sich die Haare, schwört dem Alkohol ab und fängt wieder von vorn an. Naja, zumindest wollte er das. Doch wie immer kam etwas dazwischen. Etwas – das ist halb Brasilien, welches sich als paramilitärische Gruppe organisiert. Diese Armee hat es auf die Leute, die Max beschützen soll abgesehen. Und – es wäre sonst nicht Max Payne – natürlich auch bald auf den depressiven Alkoholiker selbst. Es folgen Tausende Explosionen, viele tote Söldner und noch viel mehr geschluckte Painkiller. Kurz: Es folgt ein Actionfeuerwerk. Der Entwickler Rockstar weiß einfach, wie man Action inszeniert. Nahezu alles in der Umgebung kann zerstört werden. Max Payne zieht eine einzigartige Spur der Verwüstung hinter sich her. Eine Spur, die man gern ansieht. Die Action, das ist die Stärke von Max Payne 3.


 Doch die Action, das ist nur die Hälfte eines wahren Max Payne. Die andere Hälfte, das ist die Inszenierung, die Geschichte – das ist Max’ Leben. Und dieses kommt hier viel zu kurz. Verzweiflung und Depression bekommt der Spieler zuhauf, doch was wirklich in Max passiert und was sich in seinem privaten Leben rührt, das erfährt man nicht. Die große Stärke der „Film-Noir“-Reihe spielt Teil 3 nicht aus. Er ignoriert sie sogar einfach. Nur ganz selten kommen Anspielungen auf seine verstorbene Frau und seine tote Tochter. Viel zu selten denkt er an Mona Sax. Nicht einmal einen guten Übergang von Teil 2 zu Teil 3 har Rockstar hinbekommen. Wo am Ende des zweiten Serienteils noch ein kleiner Funken aufkeimender Hoffnung war, da ist zu beginn von Teil 3 nur noch Alkohol. Plötzlich ist Max wieder in seinem alten Loch, auf einmal ist da keine Hoffnung mehr. Wo ist sie hin? Was ist mit Max passiert? Das Spiel klärt nicht auf und vertut damit eine riesige Chance.
Doch auch wenn hier unfassbar viel Potenzial verschenkt wurde, so ist dieses Spiel doch immer noch nah daran, ein Meisterwerk zu sein. Denn auch wenn die Geschichte sich nicht um Max Payne dreht, so steckt der wütende Glatzkopf ja doch mit im Spiel. Und wenn er neben dem Verursachen von Chaos eines beherrscht, dann ist es das Aufmuntern des Spielers. Denn wann immer man sich schlecht fühlt, man glaubt, dass das Leben einen hasst, dann muss man dieses Spiel spielen. Max wird einem zeigen, dass es immer schlimmer kommen kann. Und er kann einem zeigen, dass Aufgeben keine Lösung ist. So merkwürdig und bizarr es klingt – eigentlich löst die alkoholabhängige, tablettensüchtige und depressive Hauptfigur beim Spieler gute Laune aus. Schlimmer geht immer und Max Payne ist der Beweis dafür.
Doch wie ist nun das eigentliche Spiel hinter all dieser emotionalen Fassade? Mit einem Wort: großartig. Es sieht fantastisch aus, es steuert sich flüssig von der Hand weg und vor allem: Es macht einfach unfassbar viel Spaß. Also zumindest fast immer. Ab und an, da zeigt sich, dass Herr Payne eben kein Zukunftssoldat mit Superrüstung ist. Er ist ein einfacher Mensch – und einfache Menschen sterben nun mal leider schnell. Das kann extrem frustrierend sein, denn einige Abschnitte sind wirklich richtig schwer. Daran trägt sicher auch das in die Jahre gekommene Heilungssystem eine Mitschuld. In der Welt findet ihr überall Painkiller, die einen Teil eures Lebens wieder auffüllen. Sterbt ihr, während ihr noch mindestens eine Tablette über habt, wirft Max sich diese automatisch in den Hals und beginnt in Zeitlupe zu Boden zu sinken. Trefft ihr noch bevor ihr den Boden berührt den bösen Mann, der euch gerade niedergeschossen hat, dann steht Max einfach wieder auf. Wenn nicht, dann seid ihr tot. Das klingt ja ganz toll, beweist sich in der Praxis aber mitunter als nicht machbar. Meistens habt ihr keine direkte Schussbahn auf den Gegner und daher keine Chance ihn zu treffen. Oftmals ist auch einfach alles voll mit Gegnern und trotz, dass die Kamera auf den Übeltäter zentriert, wisst ihr einfach nicht, wen ihr töten müsst. Das nervt, aber es hat auch einen Vorteil: Gratiszeitlupe für alle! Denn die Bullettime, die hat der gute Max ja in Spielen eingeführt und bis heute kann kein anderes Game der Payne’schen Zeitlupe Konkurrenz machen. Es gibt kaum Besseres in einem Shooter, als das erhebende Gefühl, wenn man sich in Zeitlupe eine Treppe hinunterstürzt und dabei in aller Ruhe eine unglaubliche Übermacht an Feinden, einen nach dem anderen, mit Kopfschüssen erledigt. Was für Jugendschützer nach einer Katastrophe klingt, das ist für Gamer ein Riesenspaß.


Ein Riesenspaß muss das Spiel auch für Drogensüchtige sein. Denn bei all den ständigen Effekten hat man schnell das Gefühl, dass man unter Drogen steht. Ohne Pause gibt es da ständige Schnitte, Aufpoppen von bunten Farben, Unschärfeeffekte, wackelige Kameras und vieles mehr. Ruhe kommt hier nie ins Bild und das stört mitunter gewaltig. Der eine oder andere emotionalere, ruhigere Moment hätte sicher ohne diese Effektlawine besser gewirkt. Es ist allgemein fragwürdig, wieso Rockstar das Spiel dermaßen übertrieben mit Effekten zumüllt. Sicher – nach einer gewissen Zeit gewöhnt man sich ja bekanntlich an alles und so stört der virtuelle LSD-Rausch schnell nicht mehr. Dennoch wirkt diese Art der Präsentation befremdlich, gerade bei einem Blick in die Vergangenheit der Serie. Wo in den ersten beiden Teilen noch gezeichnete Comics als Zwischensequenzen dienten, da ist in Max Payne 3 Ingame-Grafik mit dem Extratouch LSD.


Deutlich besser in die Serie passen da schon die abwechslungsreichen Schauplätze. Rockstar hat sich merklich bemüht, das serientypisch tolle Leveldesign aufrechtzuerhalten – und sie haben es fast immer geschafft. Zwar bietet Max Payne 3 keine Geisterbahn wie noch im zweiten Teil, doch auch ohne diese lässt sich die Welt schön ansehen. Das meiste des Geschehens spielt in Brasilien, doch auch die USA kommen nicht zu kurz. Wo es euch genau hin verschlägt, das kommt einem bösen Spoiler gleich – und solche Dinge tun gute Menschen nicht. Gute Menschen geben lieber ein Fazit zu Max Payne 3 ab!


Max Payne ist Max Payne ist nicht mehr Max Payne. Rockstar hat dem Ex-Cop ein neues Gesicht verpasst, ohne ihn komplett umzukrempeln. Neue Schauplätze, neue Frisur und neue Präsentation, doch der Kern ist gleich. Auch mit Glatze ballert man sich noch in Zeitlupe durch wunderschöne Umgebungen und zerlegt diese in ihre Einzelteile. Auch in Brasilien ist Max Payne noch depressiv und alkoholabhängig. Nur die fehlende persönliche Geschichte ist ein Manko, welches dem einen oder anderen Fan der Serie sauer aufstoßen könnte. Doch auch wenn Max Payne diesmal keine neue Mona Sax findet, so ist dieses Spiel ein Erlebnis, welches jeder Actionfan erlebt haben sollte. Es erzählt hundertmal so viel Geschichte wie ein Call of Duty, es ist tausendmal emotionaler als ein Crysis und es bietet locker 15 Stunden Spielzeit. Jeder Actionfan sollte zugreifen und jeder Max Payne-Fan hat sicher schon zugegriffen. Wenn nicht, dann wird es höchste Zeit!

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